REN21-Bericht zu erneuerbaren Energien: Hoffnung auf 100 % erneuerbare Energien

Einem neuen Bericht des Multi-Stakeholder-Netzwerks für erneuerbare Energiepolitik REN21 zufolge, der diese Woche veröffentlicht wurde, ist die Mehrheit der globalen Energieexperten davon überzeugt, dass die Welt bis zur Mitte dieses Jahrhunderts den Übergang zu einer Zukunft mit 100 % erneuerbarer Energie schaffen kann.

Allerdings schwankt das Vertrauen in die Durchführbarkeit dieses Übergangs von Region zu Region, und nahezu überall herrscht die Überzeugung, dass in Sektoren wie dem Transportwesen noch einiges aufzuholen ist, wenn man ihnen in Zukunft eine hundertprozentig saubere Energieversorgung ermöglichen will.

Der Bericht mit dem Titel „REN21 Renewables Global Futures“ stellte 114 renommierten Energieexperten aus aller Welt zwölf Diskussionsthemen. Ziel war es, eine Debatte über die wichtigsten Herausforderungen erneuerbarer Energien anzuregen und anzustoßen. Dabei wurde darauf geachtet, auch Skeptiker erneuerbarer Energien in die Umfrage einzubeziehen.

Es wurden keine Prognosen oder Hochrechnungen erstellt. Vielmehr wurden die Antworten und Meinungen der Experten zusammengetragen, um ein stimmiges Bild der Energiezukunft zu zeichnen. Die bemerkenswerteste Antwort stammte aus Frage 1: „100 % erneuerbare Energien – eine logische Konsequenz des Pariser Abkommens?“ Mehr als 70 % der Befragten glaubten, dass die Welt bis 2050 zu 100 % mit erneuerbarer Energie versorgt werden kann. Europäische und australische Experten unterstützten diese Ansicht am stärksten.

Generell herrschte „überwältigender Konsens“ darüber, dass erneuerbare Energieträger den Energiesektor dominieren werden. Experten wiesen darauf hin, dass selbst große internationale Konzerne sich mittlerweile zunehmend für Produkte aus dem Bereich der erneuerbaren Energien entscheiden, sei es durch die Energieversorger oder durch Direktinvestitionen.

Rund 70 Prozent der befragten Experten zeigten sich zuversichtlich, dass die Kosten für erneuerbare Energien weiter sinken und bis 2027 die Kosten aller fossilen Brennstoffe deutlich unterbieten werden. Ebenso ist die Mehrheit davon überzeugt, dass sich das BIP-Wachstum vom steigenden Energieverbrauch abkoppeln lässt. Als Beispiele für Nationen, die ihren Energieverbrauch senken und dennoch Wirtschaftswachstum verzeichnen konnten, wurden so unterschiedliche Länder wie Dänemark und China genannt.

Wichtigste Herausforderungen identifiziert
Der Optimismus dieser 114 Experten hinsichtlich einer saubereren Zukunft wurde von der üblichen Zurückhaltung gedämpft, insbesondere in Japan, den USA und Afrika, wo Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit dieser Regionen, vollständig mit erneuerbaren Energien zu arbeiten, weit verbreitet war. Insbesondere die Eigeninteressen der konventionellen Energiewirtschaft wurden als hartnäckige Hindernisse für eine breitere Nutzung sauberer Energien genannt.

Im Verkehrsbereich sei eine Verkehrsverlagerung erforderlich, um die Entwicklung hin zu sauberer Energie in diesem Sektor vollständig zu verändern, so der Bericht. Der Ersatz von Verbrennungsmotoren durch Elektroantriebe werde nicht ausreichen, um den Sektor zu transformieren, glauben die meisten Experten. Eine breitere Nutzung des Schienenverkehrs anstelle des Straßenverkehrs werde hingegen umfassendere Auswirkungen haben. Allerdings halten nur wenige dies für wahrscheinlich.

Und wie immer kritisieren viele Experten die Regierungen, denen es nicht gelingt, langfristige politische Sicherheit für Investitionen in erneuerbare Energien zu schaffen – ein Führungsversagen, das sich in ganz Großbritannien, den USA, Afrika südlich der Sahara und Südamerika bemerkbar macht.

„Dieser Bericht präsentiert ein breites Spektrum an Expertenmeinungen und soll Diskussionen und Debatten über die Chancen und Herausforderungen einer Zukunft mit 100 % erneuerbarer Energie bis Mitte des Jahrhunderts anregen“, sagte REN21-Geschäftsführerin Christine Lins. „Wunschdenken wird uns nicht weiterbringen. Nur wenn Regierungen die Herausforderungen vollständig verstehen und eine fundierte Debatte über deren Bewältigung führen, können sie die richtigen politischen Maßnahmen ergreifen und finanzielle Anreize schaffen, um den Ausbau zu beschleunigen.“

REN21-Vorsitzender Arthouros Zervos fügte hinzu, dass 2004 (als REN21 gegründet wurde) kaum jemand geglaubt hätte, dass erneuerbare Energien bis 2016 86 % aller neuen Strominstallationen in der EU ausmachen würden oder dass China die weltweit führende Energienation im Bereich der sauberen Energie sein würde. „Die Forderungen nach 100 % erneuerbarer Energie wurden damals nicht ernst genommen“, sagte Zervos. „Heute diskutieren die weltweit führenden Energieexperten rational über die Machbarkeit und den Zeitrahmen.“

Weitere Erkenntnisse
Die „12 Debatten“ des Berichts berührten eine Reihe von Themen, insbesondere die Frage nach einer Zukunft mit 100 % erneuerbarer Energie. Aber auch die folgenden Punkte wurden behandelt: Wie können der globale Energiebedarf und die Energieeffizienz besser aufeinander abgestimmt werden? Gilt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien der „Winner takes it all“? Wird die Wärmeheizung durch Elektroheizung ersetzt? Wie groß werden die Marktanteile von Elektrofahrzeugen sein? Ist die Speicherung ein Konkurrent oder eine Unterstützung des Stromnetzes? Welche Möglichkeiten bieten Megastädte? Und inwieweit können erneuerbare Energien den Zugang zu Energie für alle verbessern?

Die 114 befragten Experten kamen aus aller Welt, und der REN21-Bericht gruppierte ihre durchschnittlichen Antworten nach Regionen. So antworteten die Experten der einzelnen Regionen:

Für Afrika bestand der offensichtlichste Konsens darin, dass die Debatte um den Zugang zu Energie noch immer die Debatte um 100 % erneuerbare Energien in den Schatten stellt.

In Australien und Ozeanien war die wichtigste Erkenntnis, dass große Erwartungen an 100 % erneuerbare Energien bestehen.

Chinesische Experten gehen davon aus, dass einige Regionen Chinas eine Nutzung von 100 % erneuerbaren Energien erreichen können, halten dieses Ziel weltweit jedoch für zu ehrgeizig.

● Europas größtes Anliegen ist es, zur Bekämpfung des Klimawandels eine starke Unterstützung für 100 % erneuerbare Energien sicherzustellen.

In Indien ist die Debatte um 100 % erneuerbare Energien noch nicht abgeschlossen und die Hälfte der Befragten glaubt, dass dieses Ziel bis 2050 unwahrscheinlich sei.

● In der Region Lateinamerika/Latam hat die Debatte über 100 % erneuerbare Energien noch nicht begonnen, da derzeit weitaus dringlichere Fragen auf dem Tisch liegen.

● Die räumlichen Beschränkungen in Japan mindern die Erwartungen hinsichtlich der Möglichkeit, zu 100 % auf erneuerbare Energien umzusteigen, sagten die Experten des Landes.

● In den USA herrscht große Skepsis gegenüber 100 % erneuerbaren Energien; nur zwei von acht Experten sind zuversichtlich, dass dies möglich ist.


Beitragszeit: 03.06.2019